15.01.2024
Arbeitsleben
Wie rekrutiert man erfolgreich Fachkräfte im Blue-Collar-Bereich? Sonja Auf der Maur von den EKZ (Elektrizitätswerke des Kantons Zürich) weiss es. In einem WLA-Workshop erzählte die Leiterin Talent Acquisition & Employer Branding, worauf es ankommt, wenn man heiss begehrte Elektroinstallateur/-innen und Netzelektriker/-innen für sich gewinnen will.
Elektromonteure sind gesucht, im x28-Jobradar findet man derzeit am zweitmeisten Vakanzen bei den «Stromern». Auch bei den EKZ sind Dutzende Stellen für Elektroinstallateur/-innen und Netzelektriker/-innen ausgeschrieben. Sie mit geeigneten Fachpersonen zu besetzen, ist die Aufgabe von Sonja Auf der Maur, Leiterin Talent Acquisition & Employer Branding.
In einem Online-Workshop von Work Life Aargau erzählte die begeisterte HR-Fachfrau Berufskolleginnen und -kollegen, wie sie diese anspruchsvolle Aufgabe angeht. Ihre Zielgruppen stehen stellvertretend für Fachkräfte im Blue-Collar-Bereich, also für Handwerkerinnen und Handwerker. Auf der Maur kann sich auf eine wissenschaftlich fundierte Umfrage stützen, die sie im Rahmen ihrer Masterarbeit bei Elektroinstallateur/-innen im eigenen und in anderen Betrieben durchführte.
Weil bis zur Hälfte der potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten nicht aktiv auf Stellensuche sind, müssen punkto Anziehung und Information alle Register gezogen werden. Auf der Maur plädiert aber dafür, auch die zweite Hälfte der Candidate Journey – Bewerbungsprozess und Zu-/Absage – zielgruppenorientiert zu gestalten: «Es bringt nichts, viel Geld nur für coole Werbung auszugeben.»
Und so werden Handwerkerinnen und Handwerker am besten umworben:
Blue Collars wie Elektroinstallateur/-innen schätzen persönliche Kontakte. Es braucht neben Online-Plattformen (hier eher Instagram als LinkedIn) auch Offline-Touchpoints. Dafür prädestiniert ist ein Mitarbeitenden-Empfehlungsprogramm, wie es auch die EKZ kennen. Erfolgreiche Vermittlungen werden mit einer Prämie belohnt. Wichtig laut Sonja Auf der Maur: Die Vermittlung muss auch mündlich möglich sein.
In Stelleninseraten sind neben einer aussagekräftigen Stellenbeschreibung realistische Jobanforderungen gefragt. Sonja Auf der Maur empfiehlt diesbezüglich, auch Quereinsteigerinnen und -einsteigern eine Chance zu geben und diese Probe arbeiten zu lassen. Interessant bei EKZ: Neben dem Arbeitsort interessiert auch der Einsatzradius – um abschätzen zu können, wie oft man unterwegs ist und allenfalls im Stau steht.
Sowohl in Stelleinseraten als auch auf der Karrierewebseite werden mit dem Job verbundene Benefits als wichtig erachtet. Neben dem Lohn interessieren zum Beispiel flexible Arbeitszeiten oder berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten. «Unserer Zielgruppe sind ein möglichst kurzer Arbeitsweg und die private Nutzung des Geschäftsautos zusätzlich wichtig», sagt Sonja Auf der Maur.
Umständliche Bewerbungen schrecken ab. Besonders für Blue Collars müssen die Hürden so tief wie möglich liegen. Die EKZ bietet deshalb Schnellbewerbungen mit nur wenigen Klicks an. Ein Lebenslauf wird nicht verlangt, ebenso wenig ein Motivationsschreiben. Letztere seien seit der Verbreitung von generativen KI-Tools wie ChatGPT nicht mehr aussagekräftig, so Auf der Maur.
«Weil sich die Bewerberinnen und Bewerber auch anderweitig umschauen, erwarten sie eine ehrliche Kommunikation, spricht eine schnelle Zu- oder Absage bzw. die Möglichkeit zum Schnuppern», sagt Auf der Maur. Auch eine Absage sollte professionell vonstatten gehen: Schlechte Erfahrungen sprechen sich schnell herum und können andere davon abhalten, sich beim Unternehmen zu bewerben.
Ein Jobinterview sollte respektvoll, authentisch und transparent gestaltet sein – schliesslich bewirbt sich auch das Unternehmen um die Kandidierenden. Diese wollen auch über die Schattenseiten der entsprechenden Stelle aufgeklärt werden. Bei den EZK werden Interviews in Du-Form geführt – auch das ist ein Ausdruck von gleicher Augenhöhe. Je nach Unternehmenskultur muss dafür intern Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Die aktuelle Rekrutierungskampagne der EZK beherzigt die Erkenntnisse. Inhaltlich appelliert sie an die Wichtigkeit des Jobs für die persönliche Zukunft. Werbebanner auf einschlägigen Webseiten, digitale Plakate auf Screens im Aussenraum und Instagram-Posts führen auf die Landingpage jobzukunft.ch. Hier werden fünf «Gute Gründe, die für eine Karriere bei uns sprechen» aufgeführt. Mehr als die Ausbildung, die Kontaktdaten und die gewünschte Kontaktart müssen Interessentinnen und Interessenten nicht angeben.
«Die Kampagne generiert Aufmerksamkeit. Es braucht aber extrem viel, bis sich die Leute auch wirklich bewerben», berichtet Sonja Auf der Maur von den ersten Erfahrungen. Dabei lassen die EKZ nichts unversucht. Ganz nach dem Credo möglichst diverser, crossmedialer Touchpoints lautet ein spezifischer Slogan: «Beim Hairstyle darf es nur das Beste sein. Wann auch bei deiner Job-Zukunft?» Er steht auf Stickers, die zwei Dutzend Coiffeursalons auf ihre Spiegel geklebt haben.
Buchtipp von Sonja Auf der Maur: E-Book «Blue Hiring: Zeit zum Umdenken» Download hier Podcast mit Co-Autor Stephan Rathgeber hier